Fußball ist der beliebteste, aber auch der am stärksten diskutierte Sport in Deutschland. Im Amateurfußball sprechen viele über zunehmende Gewalt auf dem Platz, im Profifußball sind es die Fans, die das Fußballstadion zu einem gefährlichen Ort machen. So zumindest sehen es die sich populistisch äußernden Hardliner aus Innenpolitik und Behörden. Denn der autoritäre Ruck, der die Gesellschaft durchzieht, zeigt sich auch beim Fußball.

Wieder einmal dreht sich auf der Innenministerkonferenz alles um die Frage: „Wie machen wir Stadien sicherer?“ Wieder einmal wird vor „desaströsen Zuständen“ und randalierenden Fangruppen gewarnt. Aber auch von unzähligen Menschen und Familien wird gesprochen, die sich angeblich nicht mehr ins Stadion trauen. Wieder einmal gibt es keine belastbaren Fakten, die dieses Bild bestätigen. Trotzdem werden Maßnahmen aus der BLoAG (Bund-Länder-offene Arbeitsgruppe) aus Politik, Polizei, Verbänden und der Koordinationsstelle Fanprojekte (KOS) gefordert, die am Ende die Zerstörung einer lebendigen, vielfältigen Fankultur erreichen:

  • Einrichtung einer zentralen Stadionverbotskommission, die Verbote und deren Überwachung bundeseinheitlich steuert
  • Pauschale Stadionverbote über mindestens drei Monate bei eingeleitetem Ermittlungsverfahren
  • ⁣Einheitlichere Anwendung und Überwachung von Verbands- und Vereinsregelungen zur Fankultur und zum Stadionverhalten
  • Einführung von personalisierten Tickets mit ID-Check und KI-gesteuertem Bildabgleich
  • Strengere Einlass- und Sicherheitskontrollen bei sogenannten Hochrisikospielen: geringere Gästekontingente, intensivere Kontrolle wegen Pyrotechnik

Ein Blick in den Jahresbericht der Zentralen Informationsstelle Sporteinsätze der Polizei NRW für ganz Deutschland, zeigt aber eine ganz andere Realität. Deutsche Stadien sind sicher und vermutlich auch die mit am stärksten überwachten Orte im Land. 1.107 Verletzte in einer ganzen Saison, ohne Angabe, wodurch genau. 5.197 eingeleitete Strafverfahren. Ein Rückgang zum Vorjahr. Um diese Zahlen kurz ins Verhältnis zu setzen: Über 32,95 Millionen Zuschauer waren in der letzten Saison im Stadion. 1.107 Verletzte bedeuten 0,00336 % aller Stadionbesucher – etwa 3,4 Verletzte pro 100.000 Zuschauer. 5.197 Strafverfahren entsprechen 0,01577 % aller Stadionbesucher – etwa 15,8 Verfahren pro 100.000 Zuschauer. Wir reden also über den statistischen Promillebereich. Von Zahlen, die kaum messbar sind, es aber trotzdem auf die ganz große Populismus-Bühne schaffen.

Trotz ihrer Beteiligung am BLoAG haben selbst DFL und DFB in einer eigenen Stellungnahme Zweifel an diesen Forderungen geäußert. Unsere Fankultur wird bekämpft, da sie für die Innenpolitik eine Gefährdung darstellt. Sie ist unbequem, laut, politisch. Dazu ist sie noch vernetzt und organisiert, wie die DFL-Investorenproteste gezeigt haben. Wir haben das Potenzial, ernsthaft etwas zu bewegen, was den innenpolitischen Akteuren widerstrebt.

Was dabei oft übersehen wird. Fankultur ist ein sozialer Raum, der vielen Menschen Struktur, Ablenkung und Zugehörigkeit gibt. Ein Ort mit Schatten, aber auch Sonnenschein. Fankultur bietet eine Form von Gemeinschaft, die im Alltag häufig fehlt. Genau deshalb wird sie schnell zur Projektionsfläche für gesellschaftliche Konflikte. Probleme, die eigentlich gesamtgesellschaftlich verhandelt werden müssten, landen über die Figur der „Ultras“ plötzlich als vermeintliche „Fußballprobleme“ auf dem Tisch. So entsteht eine einfache Erzählung für die Innenpolitik: Nicht die sozialen Ursachen stehen im Mittelpunkt, sondern ein angeblich eskalierendes Fanproblem.

Im Sinne aller Fußballfans bleiben wir laut und unbequem! Schluss mit den populistischen Forderungen – Finger weg von unseren Kurven!

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