Als Wolfgang Frank 1995 das Zepter am Bruchweg übernahm, krempelte er nicht nur die sportliche Ausrichtung des Vereins komplett um. Mit einer visionären Herangehensweise gelang es ihm, das lange Zeit triste Umfeld wach zu rütteln und größere Veränderung einzuleiten. Eine Folge davon war 1997 die Erweiterung des Bruchwegs durch 2 Stahlrohrtribünen. Neben der Nordtribüne entstand mit der Südtribüne die neue Heimat der Fanszene, die sich fortan im Q-Block sammeln sollte. Am alten Standort auf der Gegengerade vegetierte die damals zahlenmäßig sehr überschaubare 05-Fangemeinde über Jahre vor sich hin. Das Image als graue Maus und der jahrelange Abstiegskampf in der zweiten Liga lockten kaum Publikum zu den Spielen, die wenigen mitgebrachten Kinder spielten lieber im Sand der staubigen Gegengerade, als sich wirklich für das Gerumpel auf dem Platz zu begeistern.
Durch den plötzlichen sportlichen Erfolg und den Standort im Q-Block hinter dem Tor gab es allerdings neue Impulse und das nicht nur durch die arg verpixelte Aufforderung „Q-Block Power“ auf der alten Anzeigetafel. Tatsächlich verjüngte sich die Anhängerschaft und es dauerte nicht lange, ehe sich neue Fanclubs wie Attacke Mainz, Fanatics, Rheinfire oder die Wilden Jungz gründeten. Inspiriert von den ersten Eindrücken der Ultrakultur aus Italien, die sich zu jener Zeit so langsam auch ihren Weg in deutsche Kurven bahnte, fanden auch in Mainz erste Doppelhalter, Choreografien und die Idee der dauerhaften Unterstützung über 90 Minuten den Weg in den Q-Block.

Bestrebungen Gesänge via Megaphon aus der Menge heraus anzustimmen, weckten bei vielen Alteingesessenen erst einmal recht skeptische Blicke. Die ersten Versuche sich damit gar auf den Wellenbrecher zu stellen und die Massen anzuheizen, führten dann auch eher zu Diskussionen um die Sichtbehinderung als zu einer Verbesserung der Stimmung. Aber mit etwas Geduld und Dickköpfigkeit wurden bald erste Erfolge sichtbar, die Anzahl der sangeswilligen Anhängerschaft vervielfachte sich. Der Q-Block erwachte zum Leben.
Dazu beigetragen haben auch einige legendäre Spiele der damaligen Zeit – unvergessen bleibt hier sicherlich das 3:1 gegen den Tabellenführer Arminia Bielefeld an einem Montagabend. Dutzende bengalische Feuer erhellten den Q-Block und sorgten für eine bis dato selten dagewesene Atmosphäre. Die wurde schließlich bei den Pokalfights gegen die Erstligisten vom HSV und Hertha BSC nochmal getoppt. Gegen die Berliner traf zunächst kurz vor Ende Michael Thurk mit seinem ersten Pflichtspieltor für Mainz 05 zum 1:1 Ausgleichstreffer, ehe Jürgen Klopp mit gelb-rot vom Platz musste. In der folgenden Verlängerung besorgte Marcio Rodrigues dann in Unterzahl sogar die 2:1 Führung, flog aber ebenfalls mit gelb-rot vom Platz, weil er sich beim anschließenden Jubel sein Trikot vom Leib riss. In den übrigen 20 Minuten stemmten sich die 9 verbliebenen Spieler und der ganze Bruchweg gegen die wütend anstürmenden Berliner.
Das waren Spiele und Erlebnisse, die man sein Leben lang nicht mehr vergisst und die bei vielen Menschen die Begeisterung und Leidenschaft für Mainz 05 weckten. Ein besonderer Spirit entstand – der schließlich in der Ära Klopp weiter gipfelte. Im Q-Block wurde mit der Ultraszene Mainz 2001 ein Sammelbecken für alle Fans und Ultras geschaffen, die sich zusammen organisieren und engagieren wollten. Zahlreiche Choreographien aus der Anfangszeit legen heute Zeugnis ab vom damals großen Tatendrang, die gesamte Fanszene war in einer unglaublichen Aufbruchsstimmung. Unter Jürgen Klopp klopfte der Verein mehrmals ans Tor zur Bundesliga an, ehe es im dritten Anlauf endlich klappte und der Boom um Mainz 05 seinen Höhepunkt fand. Fans und Verein zeichnete zu dieser Zeit ein enormes Zusammengehörigkeitsgefühl aus, man ging gemeinsam durch Höhen und Tiefen, erlebte Niederlagen und Triumphe. Was in diesen Jahren geschah, ist noch heute irgendwie kaum in Worte zu fassen – es ist dieses schwer zu greifende Gefühl, nach dem sich viele Menschen im Umfeld des Vereins heute noch sehnen. Diese Besonderheit, die Mainz 05 und seine Fans über Jahre auszeichnete, so knapp vor dem Ziel noch abgefangen zu werden und trotzdem im nächsten Jahr mit einem gewaltigen Enthusiasmus einen neuen Versuch zu starten.
All das, was Mainz 05 auszeichnet, wurde in diesem Abschnitt der Vereinsgeschichte geboren, die sportliche Philosophie ebenso wie die lebendige Fankultur. Der Q-Block als Heimat der Fans war dabei nicht einfach nur ein Rückhalt, er war ein Motor des gesamten Gerüsts. Die schier unbändige Energie aus dem Herzen der Südtribüne entlud sich in einem lautstarken Support und kreativen Projekten wie der „100% Einsatz für unser Ziel“–Aktion. 5.000 Menschen beim gemeinsamen Aufstiegsmarsch, 8.000 beim Bundesligadebüt in Stuttgart, die Feierlichkeiten zum 100-jährigen Vereinsjubiläum oder die ersten Auftritte auf internationaler Bühne – die Fans von Mainz 05 hangelten sich von einem Superlativ zum nächsten. Ewig konnte dieser Aufschwung nicht anhalten, auch die größte Euphorie flachte irgendwann ab und die Bundesliga wurde Normalität. Auf der Südtribüne gab es erste Uneinigkeiten, zu den unzähligen Themen rund um Verein und Fans entwickelte sich eine sehr große Meinungsvielfalt, die kaum mehr unter einen Hut zu packen war und seit einigen Jahren das ganz große Miteinander nur noch selten zulässt. Es kamen und gingen viele Leute in dieser Zeit, doch der Q-Block blieb immer das Herz der Fangemeinde.
Nach dem erneuten Aufstieg war Mainz 05 irgendwann an einem Punkt angelangt, an dem der Bruchweg leider zu klein geworden war, um sich dauerhaft in der Bundesliga etablieren zu können. Der Umzug ins neue Stadion bedeutete gleichzeitig auch Abschied zu nehmen von dem Ort, mit dem wir alle so viele Emotionen verbunden hatten. Wie viele Stunden haben wir am Bruchweg in unserem Q-Block verbracht? Wie oft geweint, gelacht, geschimpft und gejubelt? Wie oft waren die Stunden hier ein Ausbruch aus dem sonst so grauen Alltag, wie viele Freunde haben wir genau hier gefunden? Dieser magische Ort hat unser Leben auf eine Weise geprägt, die nachhaltiger kaum sein könnte. Auch im neuen Stadion am Europakreisel ist der Q-Block wieder der Standort der Fans, von hier sollen unsere Gesänge ins gesamte Stadion getragen werden und die rot-weiße Mannschaft auf dem Platz beflügeln. Nach nun 5 Jahren fühlt es sich immer noch etwas komisch dort an, etwas steril und ab vom Schuss. Im Stadion sind viele neue Gesichter und durch die Größe der Tribüne will nicht immer so recht Atmosphäre aufkommen. Aber der neue Q-Block hat das Zeug dazu, die Geschichte auch am Europakreisel weiter zu schreiben. Auf dieser riesigen Tribüne schlummert ein enormes Potential, das nur darauf wartet abgerufen zu werden. Der Pioniergeist und das Gemeinschaftsgefühl der vergangenen Tage kann dabei in vielerlei Hinsicht ein Vorbild sein. Vor uns liegt ein neues Kapitel und es liegt an uns es nun mit Leben zu füllen.