Gude 05er!

Morgen ist es also so weit: 2726 Tage, nachdem in Leipzig ein gewisser e.V. namens „RasenBallsport“ gegründet wurde, wird nun auch unserem geliebten FSV die zweifelhafte Ehre zuteil, dem Ableger dieses Vereins – der RBL GmbH – einen Besuch abzustatten.

Aus diesem Anlass wollen wir uns nun an euch richten. Spiele gegen RB Leipzig lassen Stellungnahmen und Positionspapiere der deutschen Fanszenen bekanntlich nur so aus dem Boden sprießen; nun kommen auch wir nicht mehr umhin, ein öffentliches Statement beizusteuern zu dem bereits angehäuften Berg an Protest- und Boykott- und Nichtboykottaufrufen.
Dass die aktive Mainzer Fanszene morgen im Zentralstadion für Stimmung sorgen wird, dürfte zu diesem Zeitpunkt keine Überraschung mehr sein, wird doch bereits seit längerem ein Sonderzug nach Leipzig beworben. Die Entscheidung, das Spiel nicht zu boykottieren, war tatsächlich auch weniger umstritten, als man zunächst vielleicht annehmen könnte. Der Grund dafür ist eigentlich ein ganz einfacher:

Wir verstehen uns – Mainz 05 – als einen Gegenentwurf zum sterilen und mit Geld aufgeblähten Leipziger Fußballprodukt. Die Geschichte, die Mainz 05 in den vergangenen zwei Jahrzehnten geschrieben hat und die Mainz 05 – das ist noch wichtiger – heutzutage weiterschreibt, ist der Beweis und das Paradebeispiel dafür, dass erfolgreicher Fußball tatsächlich noch handgemacht sein kann.
Denn noch in den 1990er Jahren hatte und war unser Verein nichts. Doch mit jedem neuen Jahr, mit jeder Saison, mit jeder guten Entscheidung und auch mit jedem Fehler machte Mainz 05 einen kleinen Schritt vorwärts. Immer wieder verbesserte man seine Ausgansposition ein kleines bisschen, um jene dann anschließend wieder zu nutzen. Mainz 05 setzte einen Fuß vor den anderen, clever, beständig und bodenständig. Man stieg endlich in die erste Liga auf, drei Jahre später wieder ab, ohne dass der Verein ins Wanken gekommen wäre. Zwei Jahre später gelang 05 der Wiederaufstieg – Ein Blick in die zweite Liga verrät, wie schwierig dieses Kunststück tatsächlich ist.

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Inzwischen ist der 1.FSV Mainz 05 e.V. ein etablierter Bundesligist, umgeben von 15 GmbHs und AGs und wie sie nicht alle heißen, die trotz höheren Etats in der Tabelle regelmäßig hinter dem FSV zurückbleiben. Wir spielen sogar Europa-League, auch wenn das – euphemistisch ausgedrückt – meistens nicht so gut läuft. Wir können dennoch unglaublich stolz sein auf unseren Verein und seinen einzigartigen Werdegang, der eine einzige Erfolgsgeschichte ist.

Unser morgiger Gegner ist ebenfalls erfolgreich. Und einzigartig in Deutschland. Das war´s dann auch schon mit den Gemeinsamkeiten. Das, was in Mainz langsam herangewachsen ist, wurde in Leipzig binnen sieben Jahren übers Knie gebrochen. Hier wurde ein Teilnehmer des Bundesligabetriebs einzig zu Werbezwecken herangezüchtet, um eine PR-Trophäen-Jagd zu inszenieren. Das Projekt existiert allein für den Erfolg, denn nur der bringt die gewünschte Publicity. Das Ziel sind Fotos von RedBull-Trikots, die den Champions-League-Pokal gen Himmel stemmen.
Dass der Stadt Leipzig dabei Bundesligafußball und sportliche Infrastruktur beschert wird, ist nur Nebensache und Teil des Marketingkonzepts. Wenn in ganz Sachsen nur elf Männer Fußball spielen würden, wäre RedBull das Recht – solange diese elf für RedBull gewinnen und damit den Mythos des Extremsportler-Getränks zur omnipräsenten Tatsache erheben.
Mit Kooperations- und Ausbildungsvereinen betreibt RedBull zudem eine Wettbewerbsverzerrung, die weit darüber hinausgeht, seine Konkurrenten wirtschaftlich auszustechen.

Das morgige Duell zwischen RedBull und unserem FSV versinnbildlicht geradezu die Gegensätze des wirtschaftlich erzwungenen und des sportlich erkämpften Erfolges. Kein anderer Gegner verdeutlicht also die einzigartige Entwicklung unseres Vereins so sehr wie RB Leipzig. Warum Mainz 05 es allerdings nicht fertigbringt, die Unterschiede herauszuarbeiten und zu betonen, wird man nie erfahren. Anstatt die eigene Identität als frecher Emporkömmling zu betonen und die beiden „etwas anderen Vereine“ RB Leipzig und Mainz 05 gegenüberzustellen, wird RB in der Stadionzeitschrift hofiert, als müsse man sich einschleimen. Da darf man sich jetzt schon gruseln, was „Der 05er“ wohl beim Rückspiel so verzapft.

Wir als Fans wollen jedenfalls immer wieder unser Alleinstellungsmerkmal – den Weg unseres Erfolges – herausstellen und feiern. Das werden wir in München, in Hoffenheim, in Hamburg, in Wolfsburg. Und das werden wir auch in Leipzig. Deshalb kommt es für uns auch überhaupt nicht in Frage, das Spiel zu boykottieren.
Also rafft euch auf, fahrt nach Leipzig und unterstützt Mainz 05 gegen dieses beschissene Marketing-Projekt! Wir sind anders und geiler! Alle nach Leipzig!

PS: Wir wollen euch an dieser Stelle noch ans Herz legen, sich etwas näher mit der RB-Thematik zu befassen. Nicht nur, weil es interessant ist, sondern auch, weil die Diskussion um RB Leipzig oftmals oberflächlich und unzureichend geführt wird. Das unerträgliche Leipzig-Bashing gipfelte erst jüngst wieder in einem hirnlosen Rap-Song.
Da fallen dann so unsägliche Begriffe wie „Ungeziefer“ oder „Rattenball“. Ist ja nichts Neues. „Fußballmörder“ hat noch gefehlt. Solche Unwörter können die Vorgänge von Leipzig weder vernünftig beschreiben, noch eine vernünftige Kritik formulieren. Sie sind einfach nur dumm und stellenweise gefährlich.

Daher wollen wir hier auf einen Text verweisen, der im Sommer 2015 im Kurvenmagazin „Doppelrad“ erschienen ist und sich sowohl mit dem Konstrukt selbst, als auch mit fehlgeleiteter sowie berechtigter Kritik beschäftigt. Außerdem stellt er die Frage nach einem Boykott.
Da wir euch den Text wärmstens empfehlen können und (leider) nicht alle ein „Doppelrad“ zu Hause liegen haben – gibt es hier den Text als pdf-Datei.

Viel Spaß beim Lesen, es lohnt sich!

Doppelrad – Thema RB Leipzig